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Ein Kosthäppchen aus „Euleborn – verhängnisvolle Neugier“

Ich erstarrte mitten in der Bewegung, ließ den vollen Bierkrug, den ich gerade über den Tresen reichen wollte, fallen.

„Sophie, komm zu mir!“

Ich wollte dem Ruf nicht folgen. Doch meine Beine setzten sich von selbst in Bewegung, gehorchten nicht meinem furchtsamen Wunsch, in der stickigen Sicherheit der Gaststube zu bleiben. Eine unsichtbare Hand zog mich unaufhaltsam nach draußen.

„Sophie, ich warte!“

Mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, ich wusste, wer mich rief. Nun hatte Frederik mich doch noch gefunden.

Wie durch Watte, die meine Ohren verstopfte, hörte ich die Wirtin aufschreien.

„Sophie, was ist mit dir? Mädel, du bist ja weiß wie da draußen der Schnee.“

‚Helft mir!’ flehten meine Augen angsterfüllt. Kein Laut kam meine Lippen während meine Füße meinen stocksteifen Körper weiter zur Tür zerrten.

Eine fremde grausame Macht hatte Besitz von mir ergriffen, meinen eigenen Willen ausgeschaltet. Wie eine Marionette an unsichtbaren Schnüren musste ich den verhängnisvollen Weg weitergehen. Das Blut gerann mir in den Adern, schauderliche Gänsehaut kroch meinen Rücken hinauf.

Schwer atmend öffnete ich die Tür. Der eisige Wind stob samt seinem Gefolge aus Myriaden von Schneeflocken wie vor sich selbst schutzsuchend an mir vorbei ins Wirtshaus hinein.

Zitternd vor Kälte und mit bangem Blick blieb ich stehen.

Durch das dichte Schneetreiben blitzten glühend rote Augen auf. Eine schemenhafte Gestalt ragte riesig im Schein des schwachen Lichtes, das aus der warmen Stube nach draußen fiel, auf.

Wieder hörte ich die leise, vorwurfsvolle Stimme: “Sophie, du hast mich lange warten lassen.“

Ich stand wie angewurzelt auf der Schwelle, konnte keinen Finger rühren, meine Gedanken versanken im wabbrigen Grau eines Albtraumes. Selbst die Nadelstiche der vom Himmel herabstürzenden Eiskristalle vermochten den Bann dieses Unholdes nicht zu lösen. Ich war ihm hilflos ausgeliefert.

Im nächsten Augenblick stand Frederik, fast vollständig eingehüllt in einen gräflichen grünen Mantel, dicht vor mir. Sein seltsam modriger Atem schlug mir ins Gesicht.

„Meine Rose, ich hatte dir doch verboten, wegzulaufen.“ tadelte er mich mit gefährlich klingender Sanftheit.

„Noch einmal entwischst du mir nicht.“

Sein Gesicht leuchtete bleich unter seiner dunklen Kapuze hervor, sein Mund verzog sich zu einem dämonischen Grinsen. Flüchtig ließ er mich seine glitzernd-weißen Fangzähne sehen.

Unsinnigerweise wünschte ich, die Patrouille wäre noch nicht wieder fortgeritten und würde den Gesuchten – ich war mir sicher, dass sie auch Frederik suchten – verhaften.

Eine Ewigkeit, schien es mir, schaute er mir tief in die Augen. Das glühende Raubtierrot wich dem faszinierenden Hellblau. Die Sternenpunkte in seinen Pupillen tanzten, winkten mir in fröhlichem Ringelreigen und zogen mich abermals unaufhaltsam in einen bodenlosen Abgrund.

Er schlug seinen weiten Mantel auseinander als wollte er mich mitsamt dem Wirtshaus darunter verbergen.

Doch plötzlich verzerrten sich seine Gesichtszüge zu einer entsetzlichen Fratze. Aus den glühenden Augen schienen Funken zu sprühen, aus seinem Mund ragten seine riesigen Reißzähne, die jeden Wolf beschämen würden.

Mit einem unheimlichen Fauchen sprang er zurück und verbarg sein Gesicht angstvoll schützend unter seinem Umhang.

Im gleichen Moment schwirrten aufgebrachte Stimmen um mich herum. Starke Hände zogen mich zurück in die rettende Wirtsstube. Erst als ich den verstörten Gesichtsausdruck meines Vaters erkannte, erwachte ich aus der unheimlicher Trance. Weinend stürzte ich mich in seine Arme.

Auszug aus
„Euleborn – verhängnisvolle Neugier“ von Petra Starosky


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